Artwork

Nội dung được cung cấp bởi Bayerischer Rundfunk. Tất cả nội dung podcast bao gồm các tập, đồ họa và mô tả podcast đều được Bayerischer Rundfunk hoặc đối tác nền tảng podcast của họ tải lên và cung cấp trực tiếp. Nếu bạn cho rằng ai đó đang sử dụng tác phẩm có bản quyền của bạn mà không có sự cho phép của bạn, bạn có thể làm theo quy trình được nêu ở đây https://vi.player.fm/legal.
Player FM - Ứng dụng Podcast
Chuyển sang chế độ ngoại tuyến với ứng dụng Player FM !

Muttertag - Wer hat's erfunden?

22:49
 
Chia sẻ
 

Manage episode 417218068 series 1833401
Nội dung được cung cấp bởi Bayerischer Rundfunk. Tất cả nội dung podcast bao gồm các tập, đồ họa và mô tả podcast đều được Bayerischer Rundfunk hoặc đối tác nền tảng podcast của họ tải lên và cung cấp trực tiếp. Nếu bạn cho rằng ai đó đang sử dụng tác phẩm có bản quyền của bạn mà không có sự cho phép của bạn, bạn có thể làm theo quy trình được nêu ở đây https://vi.player.fm/legal.

Bis heute haftet dem Muttertag seine schwärzeste Epoche an: Im Nationalsozialismus wurde er von einer menschenverachtenden Ideologie durchzogen. Doch stammt der Tag ursprünglich aus der Frauen- und Friedensbewegung. Die Geschichte eines bis heute umstrittenen, vielgesichtigen Feiertags. Von Karin Becker

Credits
Autorin dieser Folge: Karin Becker
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Heiko Ruprecht, Hemma Michel, Benjamin Stedler
Technik: Adele Meßmer
Redaktion: Andrea Bräu

Im Interview:
Dr. Désirée Waterstradt, Soziologin, Familienforscherin
Hartmut Knack, Kultur- und Kunstwissenschaftler

Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:

Frauen ins Rampenlicht! Der Instagramkanal frauen_geschichte versorgt Sie regelmäßig mit spannenden Posts über Frauen, die Geschichte schrieben. Ein Angebot des Bayerischen Rundfunks.
EXTERNER LINK | INSTAGRAMKANAL frauen_geschichte


Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | RadioWissen
JETZT ENTDECKEN

Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ZITATORIN

„Einmal im Jahr feiert das deutsche Volk seine Mütter. An einem Tag im Jahr werden sie ans Licht gezerrt, mit Reklamen gepriesen, mit Sentimentalitäten verziert, mit Sinnsprüchen gewürdigt und mit beweglicher Pathetik gerühmt. (…) Dann, abends schleichen die Mütter allmählich wieder in das bescheidene Halbdunkel ihrer Alltage zurück (…).“

SPRECHER

So beschreibt die Schriftstellerin und Psychologin Alice Rühle-Gerstel den Muttertag: als ein unehrliches Spektakel ohne wahre Bedeutung. Und das bereits 1932, als es diesen Feiertag in Deutschland noch nicht lange gibt.

ZITATORIN

„Danke für die Blumen. Rechte wären uns lieber.“

SPRECHER

So klingt Kritik am Muttertag vierzig Jahre später, auf einem Flugblatt des Frauenforums München. Für die Feministinnen der neuen deutschen Frauenbewegung Anfang der 1970er Jahre ist der Muttertag nichts anderes als ein Instrument zur Aufrechterhaltung des Patriarchats.

Heutzutage sind weitere Kritikpunkte hinzugekommen. Wie der Vorwurf, dass der Muttertag bestimmte Familienmodelle ausschließe: Was, wenn es etwa keine leibliche Mutter gibt – hat eine Familie dann nichts zu feiern?

Zeit seines Bestehens hat dieser nicht-gesetzliche Feiertag Kritik auf sich gezogen. Doch zumindest eine diskreditierende Behauptung ist – so hartnäckig sie sich auch hält – eindeutig falsch: Es waren nicht die Nationalsozialisten, die den Tag erfunden haben. Auch wenn sie ihn auf üble Weise für sich zu nutzen suchten. Tatsächlich stammt der Muttertag ursprünglich aus der US-amerikanischen Frauen- und Friedensbewegung. Deren Ziel: Mütter vernetzen und stärken.

MUSIK 2 Monaco F: Mei Muada 0‘20

Der Muttertag ist ein historisch schillernder, widersprüchlicher Feiertag, in dem sich seit über hundert Jahren viele wechselnde Interessen und Emotionen spiegeln.

MUSIK 3 Fiona Brice: Through Her Eyes 0’35

SPRECHER

Als geistige Schöpferin des Muttertages gilt Ann Maria Reeves Jarvis. Die Ehefrau eines methodistischen Pastors in Virginia engagiert sich Mitte des 19. Jahrhunderts wohltätig, insbesondere für Familien der Arbeiterklasse. Im Sommer 1865 ruft die US-Amerikanerin dann offiziell eine Mütterbewegung mit dem Namen "Mother´s Friendship Day" ins Leben. Die Familienforscherin und Soziologin Désirée Waterstradt:

OTON 1 WATERSTRADT

„Man muss sagen, dass Mütter im neunzehnten Jahrhundert einfach wahnsinnig litten unter Arbeitsbelastung, Armut, keine Verhütungsmittel, Kinderreichtum, hohe Kindersterblichkeit und all diese Belastungen. Auch wenn der Mann starb im Krieg - und das war ja nun gerade zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs - dann waren die Mütter alleine da und mussten für die Kinder sorgen. Und insofern waren Mütter extrem belastet. Und diese Mütter trafen sich und haben sich eben ausgetauscht über ihre alltäglichen Probleme. Wie werde ich mit meinem Alltag fertig? Wie kriege ich das hin? Und wer bin ich dabei überhaupt? (…) Dieser „Mutter Freundschaftstag“, wenn man es mal übersetzt, (…) der stand (…) im Zeichen der Frauen- und Mütterbewegung, indem sich Mütter als Subjekte sahen und tatsächlich entdeckten, dass ihre Sicht auf die Welt eine ganz andere ist, als die der Männer.“

SPRECHER

In weiten Teilen der US-amerikanischen Frauenbewegung, ebenso wie in religiösen Gemeinden, gilt „Mütterlichkeit“ damals als eine weibliche Tugend, die für die gesamte Gesellschaft wichtig und heilsam ist; sie ist keine rein private Qualität, sondern ein öffentliches Handlungsprinzip, das auch in Politik und Gesellschaft angewendet werden soll.

MUSIK 4 Stars And Stripes foeever. Bearbeitet für Orgel 0‘20

Ann Maria Reeves handelt danach: Während des amerikanischen Bürgerkriegs versorgt sie mit Hilfe ihres Mütternetzwerkes Soldaten mit Medizin und Hilfsgütern, und zwar unabhängig davon, auf welcher Seite diese kämpfen. Und das, obwohl sie selbst mehrere ihrer dreizehn Kinder in diesem Krieg verloren hat.

MUSIK 5 Hopeful Outlook (piano solo) 0‘50

Nach den Kämpfen wird ihr „Mother´s Friendship Day“ zu einer Institution der „Reconstruction“, also der Wiedereingliederung und der Aussöhnung zwischen den verfeindeten Nord- und Südstaaten.

Für einen offiziellen Tag zur Ehren der Mütter votiert und betet Ann Maria Reeves vergeblich. Erst nach ihrem Tod 1905 kommt dieses Projekt in Schwung: Eine ihrer Töchter, Anna Marie Jarvis, macht sich nun die Einführung eines Muttertags vehement zur persönlichen Lebensaufgabe.

Am 12. Mai 1907, dem Sonntag nach dem zweiten Todestag ihrer Mutter, veranlasst sie in ihrer Heimatgemeinde in Grafton, West Virginia, einen Gottesdienst zum Gedenken an ihre Mutter. Schon im Jahr darauf soll die Veranstaltung noch immer die eine, aber zusätzlich auch alle Mütter ehren. Anna Jarvis gründet Komitees, schreibt Briefe und Petitionen, sucht sich Verbündete. Als „Memorial Mothers Day Meetings“ verbreiten sich die von ihr initiierten Feierlichkeiten am zweiten Maisonntag von Jahr zu Jahr weiter. Die geschickte Vorkämpferin verpasst dem Projekt Muttertag auch ein Symbol: die Nelke, Lieblingsblume ihrer Mutter.

MUSIK 6 Fiona Brice: Through Her Eyes 0’25

ZITATORIN

“Jeder soll diese Blume tragen. Denn die weiße Nelke ist besonders dazu angetan, die Tugenden der Mutterschaft zu versinnbildlichen; ihre Weiße steht für Reinheit; ihre Langlebigkeit für Treue; ihr Duft für Liebe; ihre weite Verbreitung für Wohltätigkeit; ihre Form für Schönheit.“

MUSIK 7 Tomorrows Mother’s Day, aus Gypsy 0’30

SPRECHER

Anna Jarvis setzt bei ihrer Kampagne auf Emotionen und rüttelt auch nicht wirklich am traditionellen Mutterbild. Sie hat schnell Erfolg. 1914 wird der Muttertag in den USA offiziell als staatlicher Feiertag ausgerufen.

Mit der ursprünglichen Idee organisierter, öffentlich aktiver Mütter hat der Tag zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr viel zu tun. Sein rascher Aufstieg ist eher mit der Bedürftigkeit der Menschen in einer Zeit des Umbruchs zu erklären, so Désirée Waterstradt:

OTON 2 Waterstradt

„Amerika wurde zu einer bedeutenden Wirtschaftsnation in dieser Zeit. Mit all den Problemen, mit der Armut, mit den psychischen Problemen, mit denen das einherging. (….) Also, das traf auf eine Gesellschaft, die eben unter massiven Wandlungs Druck stand, und die wuchs und sich ausdifferenzierte und in der eben kein Stein mehr auf dem anderen blieb, um es mal so zu sagen. (…) Und insofern war es das Bedürfnis, ja, wieder nach Fürsorge. Und dass es eben nicht nur diese kalte wirtschaftliche Welt gibt, in der ich ja einfach eine austauschbare Person bin, die kommt zum Arbeiten und wieder geht, sondern die tatsächlich von einer Mutter angenommen wird, ein ganzes Leben lang kostenlos mit Fürsorge bedacht wird.“

MUSIK 8 Overture, aus Gypsy 0’20

SPRECHER

Rechtzeitig vor dem Muttertag starten nun unübersehbare Werbekampagnen. Die US-amerikanische Wirtschaft klinkt sich in den Feiertag ein, will Dinge wie Postkarten und Süßwaren verkaufen. Die Nelkenpreise beginnen alljährlich Anfang Mai zu steigen - und Anna Jarvis verzweifelt an ihrer eigenen Schöpfung. Ihr Ziel ist, wie sie schreibt, ein „Tag der Gefühle, nicht des Kommerzes“ gewesen.

Nun bekämpft sie den Muttertag, ruft zu Boykott auf, überzieht Blumenhändler mit teuren Klagen, stört Veranstaltungen und wird 1925 bei Feierlichkeiten wegen „ordnungswidrigen Verhaltens“ zwischenzeitlich sogar verhaftet.

OTON 3 Waterstradt

„Die hat bis zum Schluss gegen diese Verdrehung des Muttertages gekämpft und ist dann, weil sie da wirklich alles eingesetzt hat zusammen mit ihrer Schwester, in Armut gestorben, weil sie es einfach nicht hingekriegt hat, gegen diese massive Kommerzialisierung, Romantisierung sich durchzusetzen.“

MUSIK 9 (IN-SPIRED MUSIC / Subpublish: Delicate Moment 1’30)

SPRECHER

Der US-amerikanische Muttertag verbreitet sich nach dem Ersten Weltkrieg international, kommt nach Großbritannien, Skandinavien, in die Schweiz. Für seine Einführung in Deutschland spielen seine kommerziellen Möglichkeiten eine große Rolle – wenn auch im Verdeckten. In einer Zeitschrift namens „Ethische Kultur“ ist 1923 – die Folgen des Ersten Weltkriegs sind noch deutlich spürbar – folgender Aufruf zu lesen:

+ MUSIK 10 Fabian Bitter: Dark Pulse (Reduced) 0’30

ZITATOR Knauer

„Ernste Frauen und Männer wissen, dass die Wiederaufrichtung unseres Volkes nur bei seiner sittlichen Erneuerung beginnen kann. Hierzu muss der Grund aber in der Familie gelegt werden. Die Familie ist die Keimzelle des Staates. (…) Wer ist nun die vor allem berufene Hüterin und Trägerin unseres Familienlebens? Die Deutsche Frau und Mutter! (…) Uns Deutschen fehlt ein großer vaterländischer Weihe- und Festtag. Wohlan, füllen wir die Lücke aus, indem wir der deutschen Mutter einen Ehrentag bereiten. (…) An diesem Tage wollen wir unser Heim schmücken. Der Mutter gehört der Ehrenplatz. Er werde bekränzt! Blumengrüße sollen ihr unseren Dank, unsere Liebe kundtun. Auch äußerlich soll ein Zeichen, etwa eine Blume im Knopfloch oder an der Brust, die Gesinnung der Liebe und des Dankes bekunden.“

SPRECHER

Wer hier so nachdrücklich von „idealen Gütern“ und „sittlicher Erneuerung“ schwärmt, ist ein Lobbyist: Rudolf Knauer, der frischgebackene Geschäftsführer des Verbands deutscher Blumengeschäftsinhaber.

Zu seiner Muttertagskampagne hat Hartwig Knack, Kultur- und Kunstwissenschaftler, geforscht:

OTON 4 Knack

„Die Strategie von Rudolf Knauer war einfach, die kommerziellen Interessen zu kaschieren. Und er hat aufgrund dessen ausdrücklich so einen ideellen Wert des zu feiernden Muttertages in den Vordergrund gestellt. (…) Da gab es auch so eine Verbandszeitung (…). Und darin standen dann auch Anleitungen, wie der richtige Kurs zu sein hat in Sachen Muttertag, dass er natürlich ideologisch getrimmt sein müsse und nicht so die kommerzielle Geschichte im Vordergrund stehen dürfe. (…) also wie (…) die Schaufensterdekorationen auszusehen haben und so weiter. Also das war sehr strategisch alles aufgebaut.“

MUSIK 11 Palastorchester: Frollein Pardon 0’30

SPRECHER

Die wirtschaftliche Situation der Blumenhändler ist 1923 angespannt, die Inflation hat den Blumenabsatz sinken lassen. Rudolph Knauer will per Muttertag Abhilfe schaffen. Er unternimmt Vortragsreisen, schreibt Artikel und sogar ein eigenes Buch über den Muttertag. Doch die Resonanz in den Kassen der Blumenläden bleibt die ersten Jahre dürftig.

1926 wird das Projekt Muttertag offiziell an die „Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung“ übertragen. In ihr sind konservative gesellschaftliche Gruppierungen organisiert, etwa der „Reichsausschuss für Hygienische Volksbelehrung“, der „Reichsbund der Kinderreichen“ oder der „Katholische Frauenbund Deutschlands“. Mit dieser Arbeitsgemeinschaft haben die Blumenhändler nun eine der einflussreichsten Organisationen der freien Wohlfahrtspflege an ihrer Seite, die den moralischen Part der Kampagne viel glaubwürdiger übernehmen kann. Der geschäftliche Aspekt des Muttertags ist nicht verschwunden, aber nun noch besser getarnt.

MUSIK 12 Robert Pabst: At One’s Own Risk 1’00

SPRECHER

Andererseits ist der Muttertag für die Arbeitsgemeinschaft eine Möglichkeit, ihre Ideen zur Bevölkerungspolitik zu verbreiten. In der Zeit der Weimarer Republik zeichnen sich neue, eigenständigere Frauenbilder ab – die Muttertagsbewegung hingegen will zur traditionellen Definition der Frau als Mutter zurückkehren. Sie propagiert beispielsweise Kinderreichtum, um das „völkische Bestehen“ zu sichern, und lehnt Abtreibungen und Verhütungsmittel ab. Der Muttertag soll die Bereitschaft zur Mutterschaft steigern und Mütter nicht nur ehren, sondern sie auch an ihre Pflichten erinnern.

Auch Ideen der so genannten „Rassenhygiene“ und der Eugenik, also der Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen, sind bei der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung bereits zu finden. Gedanken, die später von den Nationalsozialisten nicht neu erfunden werden, sondern weitergeführt und radikalisiert.

MUSIK 13 Maria-Ward-Chor: Ave Maria 0‘45

Immer wieder haben Historiker auch auf die Bezüge der Muttertagskampagne zur Religion hingewiesen. So stellt die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung etwa „Zehn Gebote“ zum Muttertag auf. Auch der Schaufensterschmuck der Blumenläden spielt mit sakralen Anklängen. Hartwig Knack:

OTON 5 Knack

„Im Brauchtum gibt es im Zusammenhang mit der Marienverehrung auch verschiedenste Blumen und Pflanzen, die symbolhaft, zum Teil sogar namentlich Maria zugeordnet sind und sie so als volkstümliche Heilige beschreiben. Da gibt es dann die Marienblume, Mariendistel, Marienmantel und so weiter. Und so war es natürlich relativ einfach, von diesem traditionellen floralen Altarschmuck der Muttergottes zur Ehrung einer profanen Mutter mit einem Blumenstrauß überzuleiten. Das lag nahe.“

SPRECHER

Anfang der 1930er Jahre schreiben die Blumenhändler trotz Weltwirtschaftskrise wieder schwarze Zahlen. Der Muttertag ist endgültig etabliert. Warum die Menschen den Tag angenommen haben, mit dieser Frage beschäftigen sich Volkskundler schon seit Jahrzehnten. Laut Désirée Waterstradt spielen dabei auch Schuldgefühle der Zwischenkriegszeit eine Rolle:

OTON 6 Waterstradt

„Da waren viele tote, kriegsversehrte Männer, viele alleinerziehende Mütter, die eben während der Kriegszeit alles alleine gewuppt hatten. Und ja, diese Männer waren in einer massiven Krise. Also diese Männerfantasien, die sozusagen diese Welten gestaltet hatten, diesen Fortschrittsoptimismus, diesen Technik- und Wirtschaftsoptimismus und diese Kriegszuversicht, das war ja massiv enttäuscht worden. (…) Und auf eine solche Gesellschaft trafen diese Ideen, Mütter zu ehren, und eben auf die massiven Schuldgefühle, die damit einhergehen, dass die Väter das nun nicht mehr so stemmen können, sondern dass die Mütter das machen müssen.“

MUSIK 14 Als die gold’ne Abendsonne 0‘25

SPRECHER

1933 beginnt das dunkelste Kapitel des Muttertages. Die Nationalsozialisten erkennen sein Potenzial für ihre Propaganda. Während sie den internationalen Frauentag abschaffen, erheben sie den Muttertag 1934 zum gesetzlichen Feiertag.

OTON 7 Waterstradt

„Ja, da ging es eben um die Überlegenheit der arischen Rasse. Und deswegen wurde der Muttertag dann der Tag der deutschen Mutter, und zwar die „echte“, „wahre“ deutsche Mutter. Und die ist eben dann auch mit einem Besonderheits- und Überlegenheitsgefühl ausgestattet und wird dann überhöht, aber auch überwacht.“

SPRECHER

Für den Mutterkult der Nationalsozialisten entscheidend ist seine rassistische und antisemitische Unterscheidung in gute und nicht-gewollte Mutterschaft. Jüdische Mütter etwa, oder Mütter der besetzten Länder, werden keineswegs geehrt, sondern verfolgt und ermordet. Nur Frauen, die als der „Volksgemeinschaft“ zugehörig betrachtet werden, gelten für das NS-Regime als wertvoll. Und zwar besonders dann, wenn sie für diese Volksgemeinschaft möglichst viele Nachkommen in die Welt setzen.

Ab dem Jahr 1939 wird am Muttertag das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ verliehen, wobei die besagte „Ehre“ gestaffelt wird: Ab dem vierten Kind gibt es die Auszeichnung in Bronze, ab dem sechsten in Silber, für acht und mehr Kinder die Variante in Gold. Hartwig Knack:

OTON 8 Knack

„Wenn die ausgezeichneten Mütter ihr Kreuz dann trugen, draußen auf der Straße, da gab es auch Vorschriften, wie die Frauen das tragen mussten, an diesem blau-weißen Band. Es musste eine bestimmte Länge haben, das durfte nur über der Kleidung getragen werden. Und so weiter. Man musste dann, wenn diese Frauen einem entgegenkamen, dann musste man grüßen. Also die wurden gegrüßt, die ausgezeichneten Frauen. (lacht) Das war Pflichtprogramm.“

MUSIK 15 Fabian Bitter: Dark Pulse (Reduced) 0’45

SPRECHER

Das Mutterkreuz, wenngleich ein ziviler Orden, sieht einem militärischen Orden ähnlich und wird auch nach Kriegsanbruch weiter verliehen. Adolf Hitler selbst erklärt die Mutterschaft zum „Schlachtfeld der Frau“.

Ab 1943 werden am Muttertag auch die Frauen geehrt, die Sohn oder Mann im Krieg oder durch feindliche Angriffe verloren haben – und deren Zahl steigt rasant. Auch wenn das Propagandaministerium noch versucht, der Veranstaltung eine „besinnlich-frohe“ Stimmung zu verordnen – der Muttertag wird zusehends zur Trauerfeier.

SPRECHER

Der Krieg ist vorbei, Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt. In der DDR wird der Muttertag abgeschafft, als Zeichen der Abwendung von der faschistischen Vergangenheit. Stattdessen wird der Internationale Frauentag im März zum Feiertag, von bösen Zungen als „kommunistischer Muttertag“ bezeichnet. Die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland hingegen nimmt den Muttertag 1950 wieder auf – von Schlagern untermalt.

MUSIK 16 Fred Bertelmann: Gute Nacht, Mutter 0’30

OTON 10 Waterstradt

„Zunächst mal waren die 50er und der Beginn der 60er das, was man dann in der westlichen Forschung - also kommend aus Amerika - als „the golden age of marriage“ sieht und die ganzen Werbeanzeigen sind ja Legende, wo eben die Frau nur zwei Fragen hat. Was zieht sie an? Und was kocht sie? Also, es war eben auch ein Versuch, diese Welt wieder heil zu machen, die ja nun völlig in Scherben lag. Und im Prinzip war das der Höhepunkt des bürgerlichen Familienideals, was ja schon viel, viel früher entwickelt wurde, aber Vater-Mutter-Kind: das war der Höhepunkt. Und dann kam natürlich in den 60er Jahren diese Gegenbewegung auf, diese Unruhe auf, die Frauenbewegung auf, (…) und da stellte man sich massiv gegen den Muttertag.“

MUSIK 17 The Doors: Light My Fire 0’15

ZITATORIN

„Was feiern wir hier eigentlich? Unsere Unterbezahlung? (…) Unsere unbezahlte Hausarbeit? (…) Die nicht vorhandenen oder schlechten Kindergärten?“

SPRECHER

Diese Fragen stellt ein Flugblatt der Frauenaktion 70 und anderer linker Frauenorganisationen zum Muttertag 1972.

Kritisiert wird der Muttertag bis heute – und gefeiert auch. Wenigstens am zweiten Sonntag im Mai der Mutter zu danken, ist für viele eine Art soziales Gebot. Und wem am Muttertag angesichts verdellter Basteleien, überreicht von feuchten Kinderhänden, warm ums Herz wird, dem sei es von Herzen vergönnt.

Historisch gesehen ist der Muttertag vielschichtig, ist ein von den unterschiedlichsten Seiten vereinnahmter Feiertag, der über das nur auf den ersten Blick Private – die Feier der Mutter – hinaus immer mit politischen und ökonomischen Zielen verbunden ist. Wofür man eine Mutter feiert, macht gleichzeitig auch klar, was man von ihr erwartet. Unter dem Deckmantel der Ehrung ist der Tag ein Spiegel dessen, wofür Mütter durch die Jahrzehnte so alles sorgen sollten: für Frieden, für Geborgenheit in unsicheren Zeiten, für künftige Soldaten, für den Großteil der häuslichen Care-Arbeit.

MUSIK 18 Beverly Glenn Copeland: Ever New 1’25

Heute gibt es Gegenvorschläge zum Muttertag, wie etwa den pauschaleren und dadurch offeneren „Elterntag“. Désirée Waterstradt hat noch einen anderen Vorschlag:

OTON 11 Waterstradt

„Ich sag immer „Älterntag mit ä“, also ein Tag, an dem diejenigen gefeiert werden, die die Nachwuchsfürsorge betreiben. Also nicht nur die Mutter, sondern tatsächlich auch Väter, Tanten, Omas, Omas sind extrem wichtig. (…) Kindergärtnerin, Hebammen, Lehrerinnen und Lehrer. Dieses Fürsorgenetz ist heute extrem groß, das wissen wir alle. Und trotzdem tun wir so am Muttertag, als würde diese Mutter dieses Kind ganz alleine großziehen und zeigen im Zweifelsfall mit dem Finger auf sie. Wenn wir merken, wir haben irgendein Problem, dann war es natürlich die Mutter in der Kindheit. Und das, glaube ich, ist ganz wichtig, auf dieses kooperative Fürsorge Netz zu lenken und zu sagen ne ne, nicht die Mutter allein, das ist eine Männerfantasie

  continue reading

4223 tập

Artwork

Muttertag - Wer hat's erfunden?

radioWissen

39,233 subscribers

published

iconChia sẻ
 
Manage episode 417218068 series 1833401
Nội dung được cung cấp bởi Bayerischer Rundfunk. Tất cả nội dung podcast bao gồm các tập, đồ họa và mô tả podcast đều được Bayerischer Rundfunk hoặc đối tác nền tảng podcast của họ tải lên và cung cấp trực tiếp. Nếu bạn cho rằng ai đó đang sử dụng tác phẩm có bản quyền của bạn mà không có sự cho phép của bạn, bạn có thể làm theo quy trình được nêu ở đây https://vi.player.fm/legal.

Bis heute haftet dem Muttertag seine schwärzeste Epoche an: Im Nationalsozialismus wurde er von einer menschenverachtenden Ideologie durchzogen. Doch stammt der Tag ursprünglich aus der Frauen- und Friedensbewegung. Die Geschichte eines bis heute umstrittenen, vielgesichtigen Feiertags. Von Karin Becker

Credits
Autorin dieser Folge: Karin Becker
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Heiko Ruprecht, Hemma Michel, Benjamin Stedler
Technik: Adele Meßmer
Redaktion: Andrea Bräu

Im Interview:
Dr. Désirée Waterstradt, Soziologin, Familienforscherin
Hartmut Knack, Kultur- und Kunstwissenschaftler

Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:

Frauen ins Rampenlicht! Der Instagramkanal frauen_geschichte versorgt Sie regelmäßig mit spannenden Posts über Frauen, die Geschichte schrieben. Ein Angebot des Bayerischen Rundfunks.
EXTERNER LINK | INSTAGRAMKANAL frauen_geschichte


Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | RadioWissen
JETZT ENTDECKEN

Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ZITATORIN

„Einmal im Jahr feiert das deutsche Volk seine Mütter. An einem Tag im Jahr werden sie ans Licht gezerrt, mit Reklamen gepriesen, mit Sentimentalitäten verziert, mit Sinnsprüchen gewürdigt und mit beweglicher Pathetik gerühmt. (…) Dann, abends schleichen die Mütter allmählich wieder in das bescheidene Halbdunkel ihrer Alltage zurück (…).“

SPRECHER

So beschreibt die Schriftstellerin und Psychologin Alice Rühle-Gerstel den Muttertag: als ein unehrliches Spektakel ohne wahre Bedeutung. Und das bereits 1932, als es diesen Feiertag in Deutschland noch nicht lange gibt.

ZITATORIN

„Danke für die Blumen. Rechte wären uns lieber.“

SPRECHER

So klingt Kritik am Muttertag vierzig Jahre später, auf einem Flugblatt des Frauenforums München. Für die Feministinnen der neuen deutschen Frauenbewegung Anfang der 1970er Jahre ist der Muttertag nichts anderes als ein Instrument zur Aufrechterhaltung des Patriarchats.

Heutzutage sind weitere Kritikpunkte hinzugekommen. Wie der Vorwurf, dass der Muttertag bestimmte Familienmodelle ausschließe: Was, wenn es etwa keine leibliche Mutter gibt – hat eine Familie dann nichts zu feiern?

Zeit seines Bestehens hat dieser nicht-gesetzliche Feiertag Kritik auf sich gezogen. Doch zumindest eine diskreditierende Behauptung ist – so hartnäckig sie sich auch hält – eindeutig falsch: Es waren nicht die Nationalsozialisten, die den Tag erfunden haben. Auch wenn sie ihn auf üble Weise für sich zu nutzen suchten. Tatsächlich stammt der Muttertag ursprünglich aus der US-amerikanischen Frauen- und Friedensbewegung. Deren Ziel: Mütter vernetzen und stärken.

MUSIK 2 Monaco F: Mei Muada 0‘20

Der Muttertag ist ein historisch schillernder, widersprüchlicher Feiertag, in dem sich seit über hundert Jahren viele wechselnde Interessen und Emotionen spiegeln.

MUSIK 3 Fiona Brice: Through Her Eyes 0’35

SPRECHER

Als geistige Schöpferin des Muttertages gilt Ann Maria Reeves Jarvis. Die Ehefrau eines methodistischen Pastors in Virginia engagiert sich Mitte des 19. Jahrhunderts wohltätig, insbesondere für Familien der Arbeiterklasse. Im Sommer 1865 ruft die US-Amerikanerin dann offiziell eine Mütterbewegung mit dem Namen "Mother´s Friendship Day" ins Leben. Die Familienforscherin und Soziologin Désirée Waterstradt:

OTON 1 WATERSTRADT

„Man muss sagen, dass Mütter im neunzehnten Jahrhundert einfach wahnsinnig litten unter Arbeitsbelastung, Armut, keine Verhütungsmittel, Kinderreichtum, hohe Kindersterblichkeit und all diese Belastungen. Auch wenn der Mann starb im Krieg - und das war ja nun gerade zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs - dann waren die Mütter alleine da und mussten für die Kinder sorgen. Und insofern waren Mütter extrem belastet. Und diese Mütter trafen sich und haben sich eben ausgetauscht über ihre alltäglichen Probleme. Wie werde ich mit meinem Alltag fertig? Wie kriege ich das hin? Und wer bin ich dabei überhaupt? (…) Dieser „Mutter Freundschaftstag“, wenn man es mal übersetzt, (…) der stand (…) im Zeichen der Frauen- und Mütterbewegung, indem sich Mütter als Subjekte sahen und tatsächlich entdeckten, dass ihre Sicht auf die Welt eine ganz andere ist, als die der Männer.“

SPRECHER

In weiten Teilen der US-amerikanischen Frauenbewegung, ebenso wie in religiösen Gemeinden, gilt „Mütterlichkeit“ damals als eine weibliche Tugend, die für die gesamte Gesellschaft wichtig und heilsam ist; sie ist keine rein private Qualität, sondern ein öffentliches Handlungsprinzip, das auch in Politik und Gesellschaft angewendet werden soll.

MUSIK 4 Stars And Stripes foeever. Bearbeitet für Orgel 0‘20

Ann Maria Reeves handelt danach: Während des amerikanischen Bürgerkriegs versorgt sie mit Hilfe ihres Mütternetzwerkes Soldaten mit Medizin und Hilfsgütern, und zwar unabhängig davon, auf welcher Seite diese kämpfen. Und das, obwohl sie selbst mehrere ihrer dreizehn Kinder in diesem Krieg verloren hat.

MUSIK 5 Hopeful Outlook (piano solo) 0‘50

Nach den Kämpfen wird ihr „Mother´s Friendship Day“ zu einer Institution der „Reconstruction“, also der Wiedereingliederung und der Aussöhnung zwischen den verfeindeten Nord- und Südstaaten.

Für einen offiziellen Tag zur Ehren der Mütter votiert und betet Ann Maria Reeves vergeblich. Erst nach ihrem Tod 1905 kommt dieses Projekt in Schwung: Eine ihrer Töchter, Anna Marie Jarvis, macht sich nun die Einführung eines Muttertags vehement zur persönlichen Lebensaufgabe.

Am 12. Mai 1907, dem Sonntag nach dem zweiten Todestag ihrer Mutter, veranlasst sie in ihrer Heimatgemeinde in Grafton, West Virginia, einen Gottesdienst zum Gedenken an ihre Mutter. Schon im Jahr darauf soll die Veranstaltung noch immer die eine, aber zusätzlich auch alle Mütter ehren. Anna Jarvis gründet Komitees, schreibt Briefe und Petitionen, sucht sich Verbündete. Als „Memorial Mothers Day Meetings“ verbreiten sich die von ihr initiierten Feierlichkeiten am zweiten Maisonntag von Jahr zu Jahr weiter. Die geschickte Vorkämpferin verpasst dem Projekt Muttertag auch ein Symbol: die Nelke, Lieblingsblume ihrer Mutter.

MUSIK 6 Fiona Brice: Through Her Eyes 0’25

ZITATORIN

“Jeder soll diese Blume tragen. Denn die weiße Nelke ist besonders dazu angetan, die Tugenden der Mutterschaft zu versinnbildlichen; ihre Weiße steht für Reinheit; ihre Langlebigkeit für Treue; ihr Duft für Liebe; ihre weite Verbreitung für Wohltätigkeit; ihre Form für Schönheit.“

MUSIK 7 Tomorrows Mother’s Day, aus Gypsy 0’30

SPRECHER

Anna Jarvis setzt bei ihrer Kampagne auf Emotionen und rüttelt auch nicht wirklich am traditionellen Mutterbild. Sie hat schnell Erfolg. 1914 wird der Muttertag in den USA offiziell als staatlicher Feiertag ausgerufen.

Mit der ursprünglichen Idee organisierter, öffentlich aktiver Mütter hat der Tag zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr viel zu tun. Sein rascher Aufstieg ist eher mit der Bedürftigkeit der Menschen in einer Zeit des Umbruchs zu erklären, so Désirée Waterstradt:

OTON 2 Waterstradt

„Amerika wurde zu einer bedeutenden Wirtschaftsnation in dieser Zeit. Mit all den Problemen, mit der Armut, mit den psychischen Problemen, mit denen das einherging. (….) Also, das traf auf eine Gesellschaft, die eben unter massiven Wandlungs Druck stand, und die wuchs und sich ausdifferenzierte und in der eben kein Stein mehr auf dem anderen blieb, um es mal so zu sagen. (…) Und insofern war es das Bedürfnis, ja, wieder nach Fürsorge. Und dass es eben nicht nur diese kalte wirtschaftliche Welt gibt, in der ich ja einfach eine austauschbare Person bin, die kommt zum Arbeiten und wieder geht, sondern die tatsächlich von einer Mutter angenommen wird, ein ganzes Leben lang kostenlos mit Fürsorge bedacht wird.“

MUSIK 8 Overture, aus Gypsy 0’20

SPRECHER

Rechtzeitig vor dem Muttertag starten nun unübersehbare Werbekampagnen. Die US-amerikanische Wirtschaft klinkt sich in den Feiertag ein, will Dinge wie Postkarten und Süßwaren verkaufen. Die Nelkenpreise beginnen alljährlich Anfang Mai zu steigen - und Anna Jarvis verzweifelt an ihrer eigenen Schöpfung. Ihr Ziel ist, wie sie schreibt, ein „Tag der Gefühle, nicht des Kommerzes“ gewesen.

Nun bekämpft sie den Muttertag, ruft zu Boykott auf, überzieht Blumenhändler mit teuren Klagen, stört Veranstaltungen und wird 1925 bei Feierlichkeiten wegen „ordnungswidrigen Verhaltens“ zwischenzeitlich sogar verhaftet.

OTON 3 Waterstradt

„Die hat bis zum Schluss gegen diese Verdrehung des Muttertages gekämpft und ist dann, weil sie da wirklich alles eingesetzt hat zusammen mit ihrer Schwester, in Armut gestorben, weil sie es einfach nicht hingekriegt hat, gegen diese massive Kommerzialisierung, Romantisierung sich durchzusetzen.“

MUSIK 9 (IN-SPIRED MUSIC / Subpublish: Delicate Moment 1’30)

SPRECHER

Der US-amerikanische Muttertag verbreitet sich nach dem Ersten Weltkrieg international, kommt nach Großbritannien, Skandinavien, in die Schweiz. Für seine Einführung in Deutschland spielen seine kommerziellen Möglichkeiten eine große Rolle – wenn auch im Verdeckten. In einer Zeitschrift namens „Ethische Kultur“ ist 1923 – die Folgen des Ersten Weltkriegs sind noch deutlich spürbar – folgender Aufruf zu lesen:

+ MUSIK 10 Fabian Bitter: Dark Pulse (Reduced) 0’30

ZITATOR Knauer

„Ernste Frauen und Männer wissen, dass die Wiederaufrichtung unseres Volkes nur bei seiner sittlichen Erneuerung beginnen kann. Hierzu muss der Grund aber in der Familie gelegt werden. Die Familie ist die Keimzelle des Staates. (…) Wer ist nun die vor allem berufene Hüterin und Trägerin unseres Familienlebens? Die Deutsche Frau und Mutter! (…) Uns Deutschen fehlt ein großer vaterländischer Weihe- und Festtag. Wohlan, füllen wir die Lücke aus, indem wir der deutschen Mutter einen Ehrentag bereiten. (…) An diesem Tage wollen wir unser Heim schmücken. Der Mutter gehört der Ehrenplatz. Er werde bekränzt! Blumengrüße sollen ihr unseren Dank, unsere Liebe kundtun. Auch äußerlich soll ein Zeichen, etwa eine Blume im Knopfloch oder an der Brust, die Gesinnung der Liebe und des Dankes bekunden.“

SPRECHER

Wer hier so nachdrücklich von „idealen Gütern“ und „sittlicher Erneuerung“ schwärmt, ist ein Lobbyist: Rudolf Knauer, der frischgebackene Geschäftsführer des Verbands deutscher Blumengeschäftsinhaber.

Zu seiner Muttertagskampagne hat Hartwig Knack, Kultur- und Kunstwissenschaftler, geforscht:

OTON 4 Knack

„Die Strategie von Rudolf Knauer war einfach, die kommerziellen Interessen zu kaschieren. Und er hat aufgrund dessen ausdrücklich so einen ideellen Wert des zu feiernden Muttertages in den Vordergrund gestellt. (…) Da gab es auch so eine Verbandszeitung (…). Und darin standen dann auch Anleitungen, wie der richtige Kurs zu sein hat in Sachen Muttertag, dass er natürlich ideologisch getrimmt sein müsse und nicht so die kommerzielle Geschichte im Vordergrund stehen dürfe. (…) also wie (…) die Schaufensterdekorationen auszusehen haben und so weiter. Also das war sehr strategisch alles aufgebaut.“

MUSIK 11 Palastorchester: Frollein Pardon 0’30

SPRECHER

Die wirtschaftliche Situation der Blumenhändler ist 1923 angespannt, die Inflation hat den Blumenabsatz sinken lassen. Rudolph Knauer will per Muttertag Abhilfe schaffen. Er unternimmt Vortragsreisen, schreibt Artikel und sogar ein eigenes Buch über den Muttertag. Doch die Resonanz in den Kassen der Blumenläden bleibt die ersten Jahre dürftig.

1926 wird das Projekt Muttertag offiziell an die „Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung“ übertragen. In ihr sind konservative gesellschaftliche Gruppierungen organisiert, etwa der „Reichsausschuss für Hygienische Volksbelehrung“, der „Reichsbund der Kinderreichen“ oder der „Katholische Frauenbund Deutschlands“. Mit dieser Arbeitsgemeinschaft haben die Blumenhändler nun eine der einflussreichsten Organisationen der freien Wohlfahrtspflege an ihrer Seite, die den moralischen Part der Kampagne viel glaubwürdiger übernehmen kann. Der geschäftliche Aspekt des Muttertags ist nicht verschwunden, aber nun noch besser getarnt.

MUSIK 12 Robert Pabst: At One’s Own Risk 1’00

SPRECHER

Andererseits ist der Muttertag für die Arbeitsgemeinschaft eine Möglichkeit, ihre Ideen zur Bevölkerungspolitik zu verbreiten. In der Zeit der Weimarer Republik zeichnen sich neue, eigenständigere Frauenbilder ab – die Muttertagsbewegung hingegen will zur traditionellen Definition der Frau als Mutter zurückkehren. Sie propagiert beispielsweise Kinderreichtum, um das „völkische Bestehen“ zu sichern, und lehnt Abtreibungen und Verhütungsmittel ab. Der Muttertag soll die Bereitschaft zur Mutterschaft steigern und Mütter nicht nur ehren, sondern sie auch an ihre Pflichten erinnern.

Auch Ideen der so genannten „Rassenhygiene“ und der Eugenik, also der Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen, sind bei der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung bereits zu finden. Gedanken, die später von den Nationalsozialisten nicht neu erfunden werden, sondern weitergeführt und radikalisiert.

MUSIK 13 Maria-Ward-Chor: Ave Maria 0‘45

Immer wieder haben Historiker auch auf die Bezüge der Muttertagskampagne zur Religion hingewiesen. So stellt die Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung etwa „Zehn Gebote“ zum Muttertag auf. Auch der Schaufensterschmuck der Blumenläden spielt mit sakralen Anklängen. Hartwig Knack:

OTON 5 Knack

„Im Brauchtum gibt es im Zusammenhang mit der Marienverehrung auch verschiedenste Blumen und Pflanzen, die symbolhaft, zum Teil sogar namentlich Maria zugeordnet sind und sie so als volkstümliche Heilige beschreiben. Da gibt es dann die Marienblume, Mariendistel, Marienmantel und so weiter. Und so war es natürlich relativ einfach, von diesem traditionellen floralen Altarschmuck der Muttergottes zur Ehrung einer profanen Mutter mit einem Blumenstrauß überzuleiten. Das lag nahe.“

SPRECHER

Anfang der 1930er Jahre schreiben die Blumenhändler trotz Weltwirtschaftskrise wieder schwarze Zahlen. Der Muttertag ist endgültig etabliert. Warum die Menschen den Tag angenommen haben, mit dieser Frage beschäftigen sich Volkskundler schon seit Jahrzehnten. Laut Désirée Waterstradt spielen dabei auch Schuldgefühle der Zwischenkriegszeit eine Rolle:

OTON 6 Waterstradt

„Da waren viele tote, kriegsversehrte Männer, viele alleinerziehende Mütter, die eben während der Kriegszeit alles alleine gewuppt hatten. Und ja, diese Männer waren in einer massiven Krise. Also diese Männerfantasien, die sozusagen diese Welten gestaltet hatten, diesen Fortschrittsoptimismus, diesen Technik- und Wirtschaftsoptimismus und diese Kriegszuversicht, das war ja massiv enttäuscht worden. (…) Und auf eine solche Gesellschaft trafen diese Ideen, Mütter zu ehren, und eben auf die massiven Schuldgefühle, die damit einhergehen, dass die Väter das nun nicht mehr so stemmen können, sondern dass die Mütter das machen müssen.“

MUSIK 14 Als die gold’ne Abendsonne 0‘25

SPRECHER

1933 beginnt das dunkelste Kapitel des Muttertages. Die Nationalsozialisten erkennen sein Potenzial für ihre Propaganda. Während sie den internationalen Frauentag abschaffen, erheben sie den Muttertag 1934 zum gesetzlichen Feiertag.

OTON 7 Waterstradt

„Ja, da ging es eben um die Überlegenheit der arischen Rasse. Und deswegen wurde der Muttertag dann der Tag der deutschen Mutter, und zwar die „echte“, „wahre“ deutsche Mutter. Und die ist eben dann auch mit einem Besonderheits- und Überlegenheitsgefühl ausgestattet und wird dann überhöht, aber auch überwacht.“

SPRECHER

Für den Mutterkult der Nationalsozialisten entscheidend ist seine rassistische und antisemitische Unterscheidung in gute und nicht-gewollte Mutterschaft. Jüdische Mütter etwa, oder Mütter der besetzten Länder, werden keineswegs geehrt, sondern verfolgt und ermordet. Nur Frauen, die als der „Volksgemeinschaft“ zugehörig betrachtet werden, gelten für das NS-Regime als wertvoll. Und zwar besonders dann, wenn sie für diese Volksgemeinschaft möglichst viele Nachkommen in die Welt setzen.

Ab dem Jahr 1939 wird am Muttertag das „Ehrenkreuz der deutschen Mutter“ verliehen, wobei die besagte „Ehre“ gestaffelt wird: Ab dem vierten Kind gibt es die Auszeichnung in Bronze, ab dem sechsten in Silber, für acht und mehr Kinder die Variante in Gold. Hartwig Knack:

OTON 8 Knack

„Wenn die ausgezeichneten Mütter ihr Kreuz dann trugen, draußen auf der Straße, da gab es auch Vorschriften, wie die Frauen das tragen mussten, an diesem blau-weißen Band. Es musste eine bestimmte Länge haben, das durfte nur über der Kleidung getragen werden. Und so weiter. Man musste dann, wenn diese Frauen einem entgegenkamen, dann musste man grüßen. Also die wurden gegrüßt, die ausgezeichneten Frauen. (lacht) Das war Pflichtprogramm.“

MUSIK 15 Fabian Bitter: Dark Pulse (Reduced) 0’45

SPRECHER

Das Mutterkreuz, wenngleich ein ziviler Orden, sieht einem militärischen Orden ähnlich und wird auch nach Kriegsanbruch weiter verliehen. Adolf Hitler selbst erklärt die Mutterschaft zum „Schlachtfeld der Frau“.

Ab 1943 werden am Muttertag auch die Frauen geehrt, die Sohn oder Mann im Krieg oder durch feindliche Angriffe verloren haben – und deren Zahl steigt rasant. Auch wenn das Propagandaministerium noch versucht, der Veranstaltung eine „besinnlich-frohe“ Stimmung zu verordnen – der Muttertag wird zusehends zur Trauerfeier.

SPRECHER

Der Krieg ist vorbei, Deutschland in zwei Staaten aufgeteilt. In der DDR wird der Muttertag abgeschafft, als Zeichen der Abwendung von der faschistischen Vergangenheit. Stattdessen wird der Internationale Frauentag im März zum Feiertag, von bösen Zungen als „kommunistischer Muttertag“ bezeichnet. Die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland hingegen nimmt den Muttertag 1950 wieder auf – von Schlagern untermalt.

MUSIK 16 Fred Bertelmann: Gute Nacht, Mutter 0’30

OTON 10 Waterstradt

„Zunächst mal waren die 50er und der Beginn der 60er das, was man dann in der westlichen Forschung - also kommend aus Amerika - als „the golden age of marriage“ sieht und die ganzen Werbeanzeigen sind ja Legende, wo eben die Frau nur zwei Fragen hat. Was zieht sie an? Und was kocht sie? Also, es war eben auch ein Versuch, diese Welt wieder heil zu machen, die ja nun völlig in Scherben lag. Und im Prinzip war das der Höhepunkt des bürgerlichen Familienideals, was ja schon viel, viel früher entwickelt wurde, aber Vater-Mutter-Kind: das war der Höhepunkt. Und dann kam natürlich in den 60er Jahren diese Gegenbewegung auf, diese Unruhe auf, die Frauenbewegung auf, (…) und da stellte man sich massiv gegen den Muttertag.“

MUSIK 17 The Doors: Light My Fire 0’15

ZITATORIN

„Was feiern wir hier eigentlich? Unsere Unterbezahlung? (…) Unsere unbezahlte Hausarbeit? (…) Die nicht vorhandenen oder schlechten Kindergärten?“

SPRECHER

Diese Fragen stellt ein Flugblatt der Frauenaktion 70 und anderer linker Frauenorganisationen zum Muttertag 1972.

Kritisiert wird der Muttertag bis heute – und gefeiert auch. Wenigstens am zweiten Sonntag im Mai der Mutter zu danken, ist für viele eine Art soziales Gebot. Und wem am Muttertag angesichts verdellter Basteleien, überreicht von feuchten Kinderhänden, warm ums Herz wird, dem sei es von Herzen vergönnt.

Historisch gesehen ist der Muttertag vielschichtig, ist ein von den unterschiedlichsten Seiten vereinnahmter Feiertag, der über das nur auf den ersten Blick Private – die Feier der Mutter – hinaus immer mit politischen und ökonomischen Zielen verbunden ist. Wofür man eine Mutter feiert, macht gleichzeitig auch klar, was man von ihr erwartet. Unter dem Deckmantel der Ehrung ist der Tag ein Spiegel dessen, wofür Mütter durch die Jahrzehnte so alles sorgen sollten: für Frieden, für Geborgenheit in unsicheren Zeiten, für künftige Soldaten, für den Großteil der häuslichen Care-Arbeit.

MUSIK 18 Beverly Glenn Copeland: Ever New 1’25

Heute gibt es Gegenvorschläge zum Muttertag, wie etwa den pauschaleren und dadurch offeneren „Elterntag“. Désirée Waterstradt hat noch einen anderen Vorschlag:

OTON 11 Waterstradt

„Ich sag immer „Älterntag mit ä“, also ein Tag, an dem diejenigen gefeiert werden, die die Nachwuchsfürsorge betreiben. Also nicht nur die Mutter, sondern tatsächlich auch Väter, Tanten, Omas, Omas sind extrem wichtig. (…) Kindergärtnerin, Hebammen, Lehrerinnen und Lehrer. Dieses Fürsorgenetz ist heute extrem groß, das wissen wir alle. Und trotzdem tun wir so am Muttertag, als würde diese Mutter dieses Kind ganz alleine großziehen und zeigen im Zweifelsfall mit dem Finger auf sie. Wenn wir merken, wir haben irgendein Problem, dann war es natürlich die Mutter in der Kindheit. Und das, glaube ich, ist ganz wichtig, auf dieses kooperative Fürsorge Netz zu lenken und zu sagen ne ne, nicht die Mutter allein, das ist eine Männerfantasie

  continue reading

4223 tập

All episodes

×
 
Loading …

Chào mừng bạn đến với Player FM!

Player FM đang quét trang web để tìm các podcast chất lượng cao cho bạn thưởng thức ngay bây giờ. Đây là ứng dụng podcast tốt nhất và hoạt động trên Android, iPhone và web. Đăng ký để đồng bộ các theo dõi trên tất cả thiết bị.

 

Hướng dẫn sử dụng nhanh